Nach dem wir immer wieder von Auswanderern Fragen zum Gesund-heitssystem in Schweden gestellt bekommen und sie uns immer wieder fragen ob es wirklich so schlecht ist wie in Foren immer geschrieben wird möchten wir hier auf dieser Seite mal ausführlicher darauf eingehen und die wichtigsten Fragen beantworten.
Eigenlich kann man die Gesundheitssysteme Deutschlands und Schwedens überhaupt nicht vergleichen weil sie sehr Unterscheidlich und vollkommen anders aufgebaut sind. Zwischen den Gesundheitssystemen Deutschlands und Schwedens gibt es einige sehr große Unterschiede. In Schweden gibt es nur eine! staatliche Krankenkasse (Försäkringskassan) die sich über Steuermittel und Zuzahlung (patientavgifter) finanziert, wo jeder! Bürger einbezahlt und man braucht keine weiteren oder zusätzlichen Krankenkassenbeiträge zu bezahlen. Ein weiterer großer Unterschied ist auch das alle Patienten in Schweden gleich behandelt werden und nicht nach Kassen oder Privatpatient unterschieden wird weil hier alle Büger Kassenpatienten sind.
Mit dem Erhalt der Personennummer ist man in Schweden automatisch krankenversichert und muss sich nur noch bei der Försäkringskassan anmelden. Durch die Steuern und die Zuzahlung die man auch als Selbstständiger in das System einzahlt ist man auch krankenversichert.
Hier gibt es ein System mit Hausärzten und Facharztpraxen wie in Deutschland nicht. Hier gibt es in allen größeren Städten und Dörfern „Vårdcentralen“ (Ärztehäuser) die bei Erkrankungen und Beschwerden die ersten Anlaufstellen sind. Die Ärzte dort machen die ersten Untersuchungen und schreiben dann wenn nötig eine Überweisung zu den Fachärzten die hier fast alle in Krankenhäusern eingegliedert sind. Das System mit Rezepten und Überweisungen wie in Deutschland gibt es hier auch aber es läuft alles von der Überweisungen bis zum Medikamenten- oder Hilfsmittelrezepten über das zentrale EDV System. Bekommt man in Schweden Medikamente verschrieben kann man in jede Apotheke Schwedens gehen, sich dort z.B. mit der ID- Kort ausweisen und seine Medikamente oder Hilfsmittel dort abholen. Bekommt man von seinem Arzt eine Überweisung ins Krankenhaus zum Facharzt läuft das auch alles über das zentrale EDV System und man bekommt automatisch vom Krankenhaus oder Facharzt einen Bescheid mit einem Termin und wo man hin muss.
Auch das System mit den sogenannten „Igel Leistungen“ aus Deutschland, die oft unnütz sind aber von Ärzten gern empfohlen werden um Geld zu machen weil man die selbst bezahlen muss, gibt es in Schweden nicht.
Das war es erst mal in groben Zügen und nun etwas zu den Zuzahlungen.
Zuzahlung für Ärzte und Krankenhaus
Die Verantwortung für das schwedische Gesundheitsystem liegt bei den nationalen Regierung und den Provinzlandtagen. Aus diesem Grund gibt es auch geringe Unterschiede bei der Zuzahlung in den einzelnen Läns.
Für das aufsuchen eines Arztes oder einer Krankenschwester im Krankenhaus oder der Vårdcentral (Ärztehaus) muss man in Schweden bis zu 1.400:- SEK im Jahr selber zuzahlen. Im Kalmar Län sind Kinder und Jugendliche bis 20 Jahren von Zahlungen freigestellt. Die Höchstgrenze besteht aber in ganz Schweden.
Die Zuzahlungen sind bei uns im Kalmar Län folgendermaßen gestaffelt.
Hier ein kleiner Auszug:
Arztbesuch beim Distriktarzt in der Vårdcentral
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250 SEK
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Erneuerung von Rezepten per Internet oder Telefon |
250 SEK
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Digitales treffen und Beratung über Telefon, Video usw. |
250 SEK
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Besuch der Distrikkrankenschwester in der Vårdcentral
(z.B. Spritze geben lassen oder Fäden ziehen.) |
100 SEK
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Krankenhaustagegeld bei stationärer Behandlung
(zählt nicht zum högkostnadskydd) |
130 SEK
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Stand Jan. 2024
Die Höhe der Zuzahlungen wird in regelmäßigen Abständen angepasst. Die aktuelle Liste der Zuzahlungen z.B. für das für uns zuständige Kalmar län kannst Du hier: einsehen.
Die geleisteten Zuzahlungen werden im Zentralsystem gespeichert. Hat man die Zuzahlungsgrenze von 1.400:- SEK erreicht wird man automatisch von weiteren Zahlungen für den Rest der Zwölfmonadsperiode befreit.
Zuzahlung für Medikamente
Bei den Medikamenten besteht auch eine Zuzahlung von maximal 2.850:- SEK im Jahr. Bis rund 1.400:- SEK bezahlt man den vollen Preis der Medikmente selbst. Danach greift eine Staffelung so das man nur noch einen Teil der Preise bezahlt. Hat man die Zuzahlung von 2.850:- SEK voll greift der (högkostnadsskydd) und man braucht nichts mehr zu bezahlen. Eine Frikort gibt es bei den Medikamenten nicht da die Daten alle in dem zentralen EDV System gespeichert werden.
Muss man das Gesundheitssystem und die Zuzahlungen bei Ärzten und Medikamenten, außer Zahnarzt, komplett ausnutzen entstehen einem in dem schwedischen Gesundheitssystem maximal 4.250:- SEK (ca. 420,- Euro) im Jahr.
Stand Jan. 2024
Zuzahlungen beim Zahnarzt
Bis vor wenigen Jahren musste man in Schweden Zahnarztbehnadlungen und Zahnersatz komplett selber bezahlen. Der schwedische Staat hat dann ein System eingeführt wonach man auch für Zahnarztbehandlung und Zahnersatz Zuschüsse in bestimmter Höhe bekommt.
Ab 16.04.2018 gelten neue Bestimmungen, danach bekommt man folgende Zuschüsse für Zahnarztbehandlungen:
Alle Menschen unter 30 und über 65 Jahren erhalten einmal jährlich einen Zuschuss von 600:- SEK, 60,- Euro alle anderen bekommen 300:- SEK, 30,- Euro jährlich.
Kinder und Jungenliche bis 22 Jahre (ab 01. Jan. 2019 23 Jahre) ist die Behandlung kostenlos.
Außerdem gibt es auch bei der Zahnmedizin eine Kostenhöchstgrenze (Högkostnadsskydd för tandvård) bei Behandlungen und Zahnersatz.
Behandlungen bis 3.000:- SEK (ca. 300,- Euro) muss der Patient selbst bezahlen. Übersteigen die Kosten eine gewisse Grenze bekommet man folgende Zuschüsse: Von 3.001:- SEK bis 15.000:- SEK (ca. 1.500,- Euro) bekommt man einen Zuschuss von 50 % und ab 15.001:- SEK (ca. 1.500,- Euro) einen Zuschuss von 85 % von der Försäkringskassan.
Man kann auch private Zusatzversicherungen abschließen die dann die fälligen Zuzahlungen übernehmen.
Auch nachzulesen unter högkostnadssydd auf der Seite der Försäkringskassan.
Allerdings gibt es in den einzelnen Läns kleine Abweichungen bei den Preisen.
Preisliste 2024 Zuzahlungen beim Zahnarzt (folktandvård) oder Spezialisten
Wenn Ihre eigenen Reisekosten für medizinisch notwendige Reisen innerhalb eines Jahres 2.250:- SEK übersteigen gilt ein sogenannter hoher Kostenschutz. Das heißt man muss die Zuzahlungen nicht mehr bezahlen.
Kinder unter 16 Jahren in derselben Familie können zusammen gezählt werden.
Sollte man außerhalb seines Läns unterwegs sein ist man im Krankheitsfall vielleicht gezwungen zu belegen das man schon den högkostnadssydd hat kann man sich in seiner Vårdcentral oder im Krankenhaus eine Karte (frikort) ausdrucken lassen.
Stand: Jan. 2024
Organspende
Weil wir auch immer wieder nach der Gesetzeslage bei Organspenden gefragt werden haben wir auch diesem Thema einen Abschnitt gewidmet.
In Schweden gilt grundsätzlich die Wiederspruchsregelung.
Bei der Widerspruchsregelung wird der Verstorbene automatisch zum Organspender, wenn er einer Organentnahme zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat. Die Angehörigen haben in diesem Fall kein Wider- spruchsrecht. In Schweden können allerdings Hinterbliebene gegen die Organentnahme stimmen, da hier die Widerspruchsregelung mit dem Einspruchsrecht der Angehörigen verknüpft wird.
Im Rahmen der Informationsregelung müssen Angehörige über die geplante Entnahme zwar informiert werden, ein Einspruchsrecht steht ihnen jedoch nicht zu. So wird man in Schweden automatisch zum Organspender, wenn man zu Lebzeiten nicht widersprochen hat.
Wer über die Frage der Organentnahme nach dem Tode selbst bestimmen will, sollte einen Organspendeausweis ausfüllen und diesen bei seinen Ausweispapieren tragen. Im Organspendeausweis kann man der Entnahme von Organen und Gewebe nicht nur zustimmen, sondern auch widersprechen. So verhindert man in Ländern mit Widerspruchsregelung, automatisch zum Spender zu werden.
Fazit:
Wir haben Anfangs als wir Infos für unsere Auswanderung gesammelt haben in vielen Schwedenforen von schlechter Behandlung, wahnsinnig langen Wartezeiten auf Arzt- und vor allem Facharzttermine und unkompetentem Personal gelesen. Es wurde von Patienten geschrieben die monatelang auf Untersuchungstermine bei Fachärzten warten mussten oder Patienten die zurück nach Deutschland mussten weil eine Krebserkrankung angeblich in Schweden nicht behandelt werden könne. Nach diesen ganzen Horrormärchen haben wir schon gedacht Schweden wäre in der Beziehung ja fast noch ein Entwicklungsland und was uns da wohl erwarten würde.
Dass es in jedem Gesundheitssystem, wie auch dem schwedischen, wo Menschen arbeiten Fehler passieren können ist nicht leider zu vermeiden. Auch dass es Probleme und Wartezeiten gibt können und wollen wir nicht bestreiten. Es gibt auch innerhalb Schwedens Unterschiede und Gegenden wie oben im Norden oder in Ballungszentren der Großstädte, wo die Versorgung nicht so gut ist und die Wartezeiten länger sind. Sicher, können wir nicht über ganz Schweden berichten, sondern nur über die Verhältnisse bei uns im Kalmar Län.
Nach dem wir mittlerweile fast 12 Jahre in Schweden leben, viele Erfahrungen selbst durch Behandlungen, OP's gesammelt und vieles von Freunden und Bekannten erfahren haben können wir nur sagen das weder wir, noch einer unserer Freunde oder Bekannten eines dieser Horrormärchen bestätigen kann oder etwas ähnlichens erlebt hat.
Wir haben hier auf einen Termin in der Vårdcentral noch nie länger wie ein paar Tage warten müssen und haben bei akuten Erkrankungen auch noch am selben Tag einen Termin (akuttid) bekommen. Auch auf Untersuchungen bei Fachärzten haben wir nie übermäßig lange warten müssen, die meisten Termine bekamen wir innerhalb von ein bis zwei Wochen.
Die Versorgung chronisch Kranker wie Harald mit Diabetes Typ II ist auch sehr gut. Nun zählt diese Erkrankung nicht zu den schweren oder lebensbedrohlichen aber in Deutschland zu einer teuren. Dort musste Harald das Blutzucker- messgerät und die sehr teuren! Teststreifen (50 Stück ca.40 Euro) was bei mehrmals täglichem messen ca.100,- Euro im Monat kostete alles selbst bezahlen. In Schweden werden ihm Messgerät und Teststreifen kostenlos zur Verfügung gestellt. Benötigt Harald hier neue Teststreifen sowie seine Medikamente kann Er diese über seine Internetseite beim Landstinget bestellen oder ruft die Diabetesschwester an und bekommt die Teststreifen sogar mit der Post kostenlos nach Hause geschickt.
Das die Notfallversorgung in Schweden gut ist wissen wir durch Yvonnes Elchunfall und durch Freunde und Bekannte die z.B. an Herzinfarkt, Hirnschlag (Aneurysma), Schlaganfall usw. erkrankt und sehr gut behandelt wurden. In Schweden sind z.B. alle Rettungs- und Krankenwagen mit einem Computer über das zentrale Netzwerk verbunden so das der Arzt eventuelle Vorerkrankungen schon bei der Anfahrt zum Patienten einsehen kann und so schnellstens geholfen werden kann. Alle Notfälle die wir bis jetzt auch persönlich mitbekommen haben wurden sehr gut und flott behandelt.
Als Yvonne mit starken Bauchschmerzen und Verdacht auf Blinddarm ins Krankenhaus nach Oskarshamn kam wurde sie untersucht und mit dem Krankenwagen nach Kalmar ins Krankenhaus gefahren und noch in der Nacht um 2:40 Uhr operiert. Es stellte sich dann heraus das es nicht der Blindarm sondern eine Zyste war die nicht minimalinvasiv sondern mit einem 15 cm Schnitt operiert werden musste. Trotzdem kam sie am nächsten Tag nach Hause und es war alles gut.
Auch die Krebsbehandlung so wissen wir von Bekannten die eine in Deutschland begonnene Chemotherapie in Schweden weitergeführt hat ist um
einiges besser wie in Deutschland. In Deutschland wurde Ihr ein altes Medikament zur Chemotherapie verabreicht was in Schweden wegen der hohen Nebenwirkungen schon seit 10 Jahren verboten war.
Auch die eigentlichen Behandlung durch Ärzte und Schwestern ist viel persönlicher und intensiver. In Deutschland saß Sie bei der Chemobe- handlung wie bei einer Massenabfertigung mit 7-8 anderen Patienten 8-9 Stunden in einem Raum. In Schweden dauerten die Chemobehandlungen nur ca. 3 Stunden, hatte viel weniger Nebenwirkungen und Sie hatte hier ein eigenes Zimmer mit einer Schwester die Sie persönlich betreute.
Im März 2021 ist Yvonne die Kellertreppe runtergefallen und hat sich einen komplizierten dreifachen Bruch des Fußgelenkes zugezogen. Sie wurde dann mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus nach Västervik gefahren wo sie den nächsten Tag früh operiert und alles vernagelt, verschaubt und eingegipst wurde. Die kam dann den selben Tag nach Hause. Nach ein paar Wochen wurde der schwere Gips gegen einen leichten aus Kunststoff ersetzt. Als Sie dann wieder mobiler wurde bekam Sie scheinbar durch die Reibung von Schrauben und Platte eine starke Allergie und der Fuß schwoll an, juckte und nässte. Es wurde dann ein Allergietest gemacht und es war eine Nickelallergie. Im Dezember musste Sie dann wieder ins Krankenhaus und die Platte mit den Schrauben wurde wieder entfernt. Nun Anfang 2022 wird die Allergie auch ganz langsam besser. Alles in allem ist Sie vernünftig versorgt worden aber das Sie auf das Metall allergisch reagiert konnte natürlich keiner ahnen.
Wir haben festgestellt das Patienten in Schweden nicht wie in Deutschland nur als Kostenfaktor gesehen werden. Ärzte haben in Schweden, da sie meistens beim Staat fest angestellt sind viel mehr Zeit für ihre Patienten. Wie bei uns hier mal eine 3/4 Stunde mit seinem Arzt über Krankheiten, gesundheitliche Probleme oder einfach nur Gott und die Welt zu reden wäre in Deutschland undenkbar.
Unser Hausarzt in Deutschland der sich schon viel Zeit für seine Patienten nahm sagte mal zu uns dass Er für jeden Patientenbesuch 5 Minuten von der Krankenkasse vergütet bekommt, alles was länger dauert gehe von seinem Verdienst ab und müsse Er selbst drauflegen.
Nur gut dass alle Erkrankungen in nur 5 Minuten behandelt sind.
Wenn wir mittlerweile sehen und oft von anderen Auswanderern oder Feriengästen hören was es im deutschen Gesundheitssystem an Kosten und Wartezeiten gibt sind wir in Schweden noch gut bedient. Hier in Schweden werden nicht unzählige Wirbelsäulen-, Knie- OP's usw. ohne Rücksicht auf Patienten durchgeführt nur um Geld zu machen.
Wir sind jedenfalls mit dem schwedischen Gesundheitssystem zufrieden weil man menschlich, vernünftig und ohne große Unterschiede behandelt wird. Selbst, wenn man ohne akute Erkrankung mal etwas auf einen Untersuchungstermin warten muß ist das kein Beinbruch solange man im Notfall gut und schnell versorgt wird und das wird man.
Aber wie heißt es immer so schön, die beste Krankheit taugt nichts und deswegen wollen wir hoffen das keiner das Gesundheitssystem weder in Deutschland noch in Schweden in Anspruch nehmen muss.
Info!
Die auf dieser Seite angegebenen Europreise können durch die üblichen Kursschwankungen etwas variieren und können sich ändern das sie auch jährlich angepasst werden.
In diesem Beitrag haben wir die wichtigsten Infos und unsere Erfahrungen im schwedischen Gesundheitssystem geschildert. Weitere hilfreiche Infos über das schwedische Gesundheitssystem findest Du unter den Schweden Fakten.